?:  Da über Dein Projekt Fir§t Law so gut wie nichts bekannt ist, sich aber hartnäckig Gerüchte darum ranken, hoffe ich nun aber endlich etwas Licht in die Sache bringen zu können - das erste Hörzeichen von Fir§t Law war der Compilationbeitrag "Holy War" für die "Natural Order"-BOX auf STATEART und führte viele erst einmal in die Irre! Dank paralleler Präsentation auf dem Beiblatt, der identischen Internetadresse und gleichen Thematik (Manson) zogen nicht wenige Hörer den Schluß, das Fir§t Law ein Nebenprojekt von Turbund Sturmwerk ist! Kennst Du auch diese Gerüchte und bist Du willens, diese nun zu widerlegen oder nicht?

!: Ich kenne diese Gerüchte und bis zu einem gewissen Grad kann ich ihr Entstehen auch durchaus nachvollziehen, aber FL ist KEIN Nebenprojekt von TS! Ich könnte und wollte es aber schwerlich bestreiten, daß ich seit mehreren Jahren sehr gut mit ML, den man wohl als Kopf von TS bezeichnen kann, befreundet bin und nachdem sich zwischen uns beiden nicht der ansonsten übliche Neid und Streit entwickeln will, teilen wir bei Bedarf verschiedene Ressourcen wie Website oder Studio, helfen uns gegenseitig nicht nur bei den Aufnahmen, kommentieren gegenseitig unser Elaborate schon während der Entstehungsphase und nutzten damals bei der „Natural Order“-Box den gemeinsamen Platz für ein grafisches Konzept über zwei Seiten. Wobei aber eigentlich gerade bei dem Inhalt der beiden Seiten für mich deutlich wird, daß es sich dabei weniger um zwei Hälften einer Medaille, sondern vielmehr um grundlegend unterschiedliche Ansätze und Blickwinkel handelt. Die beiden Parolen unter den Bildern. „Sworn to the aim of religion – loyal to god“ (TS) und „Sworn to the methode of science – loyal to none“ (FL) z. B. entspringen, trotz formaler Parallelen, wohl mehr als nur leicht unterschiedlichen Weltsichten. Auch ist es nicht in beiden Fällen Manson, zu dem ich dank seiner stark öko-geprägten Ansichten bislang noch keinen tieferen Zugang gefunden habe, meine Tonspur stammt von Jim Jones. Aber eigentlich ist dies irrelevant, denn ähnlich wie bei dem TS-Beitrag „Vortex of Justice“ natürlich nicht etwa Manson das zentrale Thema der Veröffentlichung ist, so nutze ich Jones hier hauptsächlich als Quelle. „Holy War“ beschäftigt sich damit wie weit man in einem „heiligen Krieg“ gehen kann/muß/sollte und "Vortex" behandelt eine ganz ähnliche Fragestellung, allerdings unter konkreter Bezugnahme auf den Zweiten Weltkrieg.



 

?:  Dein Projektname klingt sehr hart und bestimmt - was ist für Dich das erste Gesetzt bzw. warum wähltest Du diesen Namen als Überbegriff für Deine musikalische Präsentation?

!: Ehrlich gesagt, ich weiß nicht was ich auf diese Frage geantwortet hätte wenn man sie mir 1991, als ich diesen Namen das erste Mal verwendet habe, gestellt hätte. Heute ist das oberste Gesetz für mich wohl „Überleben!“. Der Grund für die jetzige Verwendung ist allerdings deutlich weniger poetisch, er klingt gut.

 

 

?:  Gleiches gilt auch für Dein Logo, welches eine Zielscheibe mit gekreuzten Patronen darstellt - was möchtest Du damit ausdrücken?

!: Es stammt aus einer Zeit als ich das Gefühl hatte ein unsichtbare Zielscheibe auf der Brust zu tragen, damit das Schicksal/Karma/Quantenbewußtsein oder simpel das Leben weniger Schwierigkeiten beim Zielen hat. Und irgendwie, ähnlich wie das Gefühl ist das Logo seitdem aus meinem Leben nie mehr ganz verschwunden.

 

 

?:  Gibt es für Dich musikalische Einflüsse oder Vorbilder und wenn ja welche und warum?

!: Nachdem ich eine grundlegende Aversion gegen Idole habe, ist es mit den Vorbildern so eine Sache, aber es gibt durchaus einige Bands an denen ich den eine oder anderen Aspekt zu bestimmten Zeiten sehr beachtenswert fand und finde. Offensichtlich wären da einige Bands aus den Sechzigern und Siebzigern, wie „Hawkwind“, „Brain Ticket“, „White Noise“ oder auch die, wie ich betonen möchte, frühen „Pink Floyd“, allesamt für „Feldarbeit“ zu einem Zeitpunkt als es noch extravagant war simple Rockmusik zu spielen. „Throbbing Gristle“ 79/81 weil sie das Hippieelement aus der psychedelischen Musik entfernt haben. „Current 93“ 88/92 weil sie es wieder eingeführt haben. „Swans“ 85 bis 88 wegen ihrer überzeugenden Darstellung von Aggression. „Neubauten“ 81 bis 86 aus ähnlichen Gründen. „Aphex Twin“ 91 bis 96 wegen seiner interessanten Neudefinition des Begriffes „Popmusik“.  „Autechre“ 95 bis 01 für die Neudefinition des Wortes „rhythmisch“. Je weiter ich darüber nachdenke, um so länger dürfte die Liste wohl werden. Die erste „Human League“, „Sonic Youth“,  „Hafler Trio“....

 

 

?:  Deine erste reguläre Veröffentlichung erschien ebenfalls auf STATEART und hatte David Koresh und die Tragödie von Waco zum Thema. Allerdings bin ich mir nicht ganz im klaren, welche Position Du dabei mit Fir§t Law vertrittst bzw. was Du damit ausdrücken wolltest?

!: Ganz allgemein sehe ich meine Aufgabe bei so relativ gegenständlichen Themen wie Waco darin, Zeitgeschehen in einer Form zu dokumentieren, die den Rezipienten einen Zugang schafft, der über das Maß der Zugänglichkeit der einzelnen Fakten hinausgeht. Dieses Ziel, die Möglichkeit zu schaffen einen Blick auf Dinge zu werfen, die das Auge bisher ignoriert hat oder zumindest die Bereitschaft zu fördern neue, fremde Blickwinkel einzunehmen, läßt es mir aber als kontraproduktiv erscheinen, Positionen vorzugeben oder mehr als unvermeidlich meine eigene Position einfließen zu lassen.

 

 

?:  Damals verwendete das FBI bei der Belagerung von Waco als Zermürbungsmittel klassische Musik und die Davidianer antworteten mit Rockmusik - wären hier nicht Industrial oder sogar Fir§t Law als Terrorinstrument besser gewesen?

!: Nun, dies ist eine Frage die mich doch stark an die Kommentare meines Vaters erinnert. Ich würde sagen, den größten Effekt erzielt man mit einer Musik, die der zu Quälende nicht mag und insofern müßte man wohl in diesem Zusammenhang eher die Frage stellen, ob Klassik bei den Branch-Davidians die erste Wahl sein sollte. Möglicherweise hätte man mit der einen oder anderen satanischen Metallband mehr Erfolg erzielen können. Bei mir nun wiederum hätten klassische Musik und die meisten Inkarnationen von Rockmusik durchaus problemlos funktioniert. Gut, auch die eine oder andere Industrialformation hätte dies leicht bewirken können oder sagen wir einfach, die MEISTE Musik könnte es bei mir, aber FL scheidet eindeutig aus, denn ich pflege im Schnitt acht bis vierzehn Stunden am Tag an meiner Musik zu arbeiten und empfinde dies tatsächlich als völlig problemfrei.

 

 

?:  Du bist beeinflußt von Bands aus den 60/70'er Jahren und arbeitest die Hälfte des Tages an Deiner Musik - wie alt bist Du und gehst Du nicht arbeiten bzw. kannst Du von Fir§t Law leben...?
 

!: Ich bin Ende Dreißig und zugegebenermaßen eigentlich noch zu jung für eine so weitreichende Aufzählung, aber ich beschäftige schon seit meiner Jugend aktiv und passiv mit Musik und die ältesten LPs in der Sammlung müßten da seit einem rundem Vierteljahrhundert stehen. Ab dem Ende der Siebziger verbrachte ich einen großen Teil meines Lebens im örtlichen Plattenladen und habe in diesem und anderen Läden auch jahrelang gearbeitet. Da ergibt sich eine gewisse Tiefenkenntnis der Materie zwangsläufig. Naja gut, zumindest hier in meinem „local record store“ ist das so.

Die zweite Hälfte der Frage wiederum erinnert mich fatal an meinen Schwiegervater. Nein, ich gehe nicht arbeiten, mein Studio befindet sich hier in der Wohnung, und nein, im Moment kann ich von FL noch nicht leben, aber ich habe allgemein eine gute Hand für Computer, dazu noch viel Unfug von der Einkaufsliste gestrichen und dann kommt man schon durch.

 

 

?:  Im Booklet von "Revelation 5:2" waren Fortsetzungen dieser Reihe angekündigt, welche allerdings nicht realisiert und die Zusammenarbeit mit STATEART beendet wurde - warum?

!: Nachdem ich mich damals etwas eingehender mit möglichen weiteren Themen beschäftigt hatte, kam bei mir die Überlegung auf, wie sinnvoll es ist, sich mit gleichsam „Einzelschicksalen“ zu beschäftigen und ob es nicht wesentlich sinnvoller wäre, sich auf grundlegendere Muster zu konzentrieren. Eine Überlegung, die als logische Konsequenz zur V::S-CD führen mußte.

Und zum Ende der Zusammenarbeit mit STATEART, sagen wir es waren grundsätzliche Unterschiede in der Weltsicht, die irgendwann zu gravierend wurden.

 

 

?:  Was waren die in Frage gekommenen Möglichkeiten bzw. Einzelschicksale der Fortsetzungsreihe bei STATEART und aus welchen Gründen kamen diese in Betracht?

!: Ich sehe wenig Relevanz in der Erklärung vager, und speziell lang verworfener, Ideen.

 

 

?:  Deine zweite CD "Violent::Sedated" erschien dann bei LOKI und begab sich thematisch auf die Suche nach Realität bzw. Gewalt und klang mit den Pharma-Tracknamen sehr chemisch-halluzinös. Hier nun wieder die Frage nach Deinen Gründen und Zielen mit dieser Veröffentlichung?

!: Nachdem die Suche nach Realität ja wohl ein grundlegendes Indiz der schieren Existenz ist, ist dies natürlich auch bei V::S vertreten. Die zentraleren Themen waren für mich aber eher Gewalt und Betäubungsmittel. Oder anders ausgedrückt, einerseits die für mich normale Reaktion des Individuums auf den Staat: Gewalt. Und andererseits die gängige Reaktion des Staats auf gewalttätige Individuen: die Förderung und Verbreitung von Sedativa der verschiedensten Art.

Konzeptionell war am Anfang eine 12“ geplant (Violent) mit den ersten vier Stücken der CD, der danach eine LP (Sedated) folgen sollte. Die Arbeiten an der LP gingen erstaunlich schnell voran und so war ich damit bereits kurz vor der Veröffentlichung der 12“ fertig. Die Aufnahmen klangen relativ gut, und ich bin kein besonderer Freund von Vinyl, insofern ging ich dann gerne auf den Vorschlag von LOKI ein doch eine CD daraus zu machen. Ich erzähle dies deshalb, weil ich immer das Gefühl hatte, daß ich diese Zweiteilung, ganz zu Schweigen vom dahinter liegenden Grundkonzept, in der Musik zwar gut verdeutlichen konnte, aber beim Artwork ... ist es mir vielleicht nicht ganz so gut gelungen.

 

 

?:  Aus welchen Gründen bist Du kein Freund von Vinyl?

!: Ich finde die Technik bei Vinyl einfach zu indirekt. Das Signal wird verzerrt, in Wachs graviert, galvanisiert, mehrfach gespiegelt, in mehr oder weniger sauberes Vinyl gepresst, mit einem durch Reibung bis zum Glimmen erhitzten Diamanten durch ein stetig dicker werdende Staubschicht hindurch mechanisch abgetastet, entzerrt und samt Störungen von Minimalstpegel hochverstärkt. Im Gegensatz dazu sind auf einer CD bitgenau DIE Daten, die ich hier erzeugt habe, werden weitgehend exakt gelesen und sie werden das erste Mal im CD-Player des Hörers in ein analoges Signal gewandelt. Diesen nahezu direkten Zugriff auf die Lautsprecher des Rezipientens finde ich persönlich äußerst interessant. Aber versteh mich hier nicht falsch, für Clubs ist es ein nahezu ideales Medium und auch wenn es die Geschlossenheit eines Konzeptes erfordert, wie z. B. bei „Saturn Gnosis“, bin ich gerne zu einer
Veröffentlichung auf Vinyl bereit.

 

 

?:  Deine dritte CD betritt dann wieder ein anderes musikalisches Territorium und klingt mit ihrem warmen Okkult-Monumental-Sound am eingängigsten im Gesamtwerk von Fir§t Law. War dies beabsichtigt und verfolgst Du mit Fir§t Law das Konzept, mit jeder Veröffentlichung anders zu klingen?

!: Absicht? Bedingt, denn es ist nicht unbedingt Absicht immer wieder anders zu klingen, aber durchaus, daß die Stücke einen passenden Soundtrack für mein Leben darstellen. Insofern ist ein stetiger Wandel wohl einfach unvermeidlich. Bei „Velochrome“ gibt es da aber noch weitere Gründe. Zum einen habe ich bei der Auswahl etwas genauer zugehört welche Stücke ML oder LOKI gut fanden und zum anderen hatte ich mich vorher entschlossen, etwas mehr Kraft, Zielgerichtetheit und meines Erachtens mehr Klarheit in die Musik von FL zu bringen, indem ich mich für eine Neugewichtung der musikalischen Anteile entschied. Weniger wie bei V::S zu versuchen eine 50:50 Mischung aus einerseits bewußt kalt gehaltener Maschinenmusik und anderseits organisch-warmen, neo-rituellen Anteilen zu schaffen, sondern beiden durch deutlichere Trennung mehr Platz zu geben. Kurz, ich habe einen neuen Ordner mit Soloarbeiten begonnen und kann so gute, aber nicht unbedingt zu dem von mir gewünschte FL-Konzept kongruente, Ideen zu Ende denken, ohne daß diese dann zwangsweise auf FL-Veröffentlichungen erscheinen müssen. Und heute, ein Jahr nach dieser Entscheidung, bin ich mit den Ergebnissen der beiden Konzepte sehr zufrieden.

 

 

?:  Benutzt Du ausschließlich elektronisch erzeugte Sounds und sind die vereinzelt auftretenden akustischen Klänge Samples? Wie gehst Du allgemein bei der Erstellung eines Tracks vor bzw. wie sieht Deine Arbeitsweise aus?

!: Abgesehen vom größten Teil der Gitarren, sind alle verwendeten Klänge Samples oder Synthesizer verschiedener Jahrgänge und Bauweisen, zunehmend mehr davon virtueller Natur. Die Samples beziehe aus den unterschiedlichsten Quellen, z. B. Video und DVD haben sich da immer wieder als Fundgrube erwiesen und im Nebenraum befindet sich noch eine ausgiebige und inzwischen nur noch mit Antiquitäten angefüllte, Vinylsammlung (Jaja, ich weiß, gerade hab ich noch darüber gelästert, aber ein Knöllchen Staub an der Nadel ergibt eine einmalige Verzerrung, die selbst mit viel Mühe digital schwer zu simulieren ist, und erst die interessanten Zufall-Loops wenn man mit der Mißhandlung weiter vorgeschritten ist!!). Allerdings unterlaufen alle Samples vor und bei der Verwendung mehr oder weniger drastischen Bearbeitungen und hier entscheidet sich speziell bei den Vinylsamples, inwieweit das Original noch zitathaft durchscheinen soll oder ob es als reiner Impulsgeber für eine virtuelle Schaltungskette benutzt wird. Meistens letzters.

Eine spezifische Vorgehensweise bei der Erstellung habe ich nicht, hard disk-recording in Kombination mit MIDI ermöglicht, von der technischen Seite her, und vielleicht auch gerade in diesem musikalischen Bereich, eine angenehme Flexibilität und insofern hat sich dies bisher als unnötig erwiesen. Wenn ich einen längerfristigen Ablauf vorher festlegen will (Rev5:2), dann ist dies damit möglich, aber es erlaubt auch jegliches nachträgliches Eingreifen, so wie ich es bei den späteren Stücken bevorzugt habe. Und dies wäre wohl auch meine einzige zu nennende „festgelegte Taktik“, ein Stück erst einmal bis zu dem Punkt voranzutreiben an dem mir „im ersten Anlauf“ die Ideen ausgehen, es dann erst einmal zur Seite zu legen, etwaigen weitere Ideen im Laufe der Zeit dazuzufügen und erst wenn das Stück einen gewissen Reifungsgrad erreicht hat, ziehe ich eine Veröffentlichung überhaupt in Erwägung. Wenn  ich dann den richtigen Platz für das Stück gefunden habe, also einen, bei dem es einen direkten musikalischen Zusammenhang ergibt mit allen anderen verwendeten Stücken, dann bekommen alle Tracks gemeinsam eine „Endpolitur“, im besonderen um etwaige „Grade“ zwischen den Stücken zu glätten. Dies (abgesehen davon, daß die Angabe im Booklet 2001 natürlich falsch ist, Dezember 2000 muß es heißen.) erklärt auch die scheinbar lange Entstehungszeit von „Velochrome“, manche Fragmente waren erst zu dieser Veröffentlichung richtig ausgereift oder haben erst hier ihren idealen Platz gefunden, obwohl sie zum Teil schon 98, zur Zeit von „V::S“, in Grundlagen existent gewesen wären.

 

 

?:  Nach dem wir jetzt eine Weile um den heißen Brei herum geredet haben bzw. es in Deinen Antworten immer nur kurz angeschnitten wurde: Wie sieht Deine persönliche Weltsicht- bzw. Anschauung aus... neben dem streben nach Realität?

!: Natürlich würde hier eine detaillierte Schilderung etliche Abende und Nächte benötigen, aber stark vereinfachend könnte man sagen, daß ich bisher, ausgenommen vielleicht zum Pro-Wrestling, zu keiner Religion oder Philosophie irgendeinen inneren Bezug aufbauen konnte. Nicht, daß ich nicht interessiert gewesen wäre, nur sind mir bei näherer Betrachtung die grundlegenden Konzepte viel zu diffus bzw. basieren viel zu sehr auf einer prinzipiell fragwürdigen Annahme wie z. B. der Existenz Gottes, der dauerhaften Wertigkeit von oder des Vorhandenseins eines guten Kerns bei jedem Menschen.

Politisch betrachtet wäre meine korrekte Schublade wohl „Real-Anarchist“. D. h., klar sehne ich mir mitunter den Tag herbei, an dem ein fröhlicher Lynch-Mob die Laternenpfähle der Welt mit Beamten und Politikern aller Schattierungen dekoriert, aber sehen wir es realistisch, wäre dieser Tag wirklich eine Wendung zum Besseren? Was würde denn wohl am nächsten Tag passieren? Ich wünschte ernsthaft ich könnte hier die Ansicht so Mancher teilen, der Staat sei das eigentliche Übel und man müßte nur diesen beseitigen um in allen Menschen ein Gefühl für Freiheit und Selbstverantwortung freizulegen, aber dies ist für mich leider eine reichlich blauäugige und hippieske Ansicht. Mein Szenario wäre wohl eher: Neue Machtzentren würden sich bilden, manch älteres wäre immer noch da und ein großer Teil der Menschheit würde sich wiederum gierig um diese zu neuen Hierarchien/Strukturen zusammenrotten. Nicht gerade das, was ich unter "Anarchie“ oder „wünschenswert“ verstehe. Lösungsansätze hierfür sind komplex und relativ rar gesät und gehen, in einer stetig weiter überfüllten Welt wie dieser, wohl zweifellos mehr in die Richtung einer Forcierung des technischen Fortschritts, im deutlichen Gegensatz zu einer, durch primatentypische Angstvorstellungen geprägten, Konservativ-Denkweise, egal ob in ihrer roten, gelben, grünen, schwarzen oder braunen Erscheinungsform.

 

?:  Welche aktuellen Alben anderer Musiker und Bands hörst Du zur Zeit besonders gerne?

!: Nachdem wir es oben schon von älteren Platten hatten, fasse ich jetzt das Wort „aktuell“ mal relativ eng auf und gehe rückwärts durch die Highlights meiner Einkaufsliste. Jan Jelinek: loop-finding-jazz-records auf ~scape; Biosphere: Substrata² auf Touch; Frank Bretschneider: CURVE auf Mille Plateaux; Eyephone: Devolution auf Source Records; Vladislav Delay: Anima auch Mille Plateaux. Vielleicht noch einen etwas älteren Plattentip? Hallucinator: Landlocked auf Chain Reaction. Und natürlich DER Sommerhit des Jahres!! Die Ärzte: „Rock’n’Roll Übermensch“.

 

 

?:  Wie geht es mit Fir§t Law weiter?
 

!: Für Sommer/Herbst 2002 ist eine weitere Vollzeit-CD auf LOKI fest eingeplant und zur Zeit bin ich dafür am Ideen sammeln. Bisher habe ich für ca. 40 Minuten Rohentwürfe zusammen, ich könnte also sagen, und die Arbeiten gehen gut voran. Auf der anderen Seite dürfte ich Ende des Jahres mit einer weiteren, oben ja schon angesprochenen „Solo“-CD fertig werden, für diese habe ich allerdings noch keine konkrete Veröffentlichungsmöglichkeit gefunden und wäre natürlich „sehr erfreut“, wenn sich, z. B. auf diesem Weg, ein interessiertes Label finden würde.

 

 

?:  In welche musikalische Richtung zielt Dein anderes Soloprojekt und welche Art von Label wäre dafür am besten geeignet?

!: Wie schon erwähnt, die Grundrichtung ist deutlicher maschinen/logik-zentriert als die von FL. Minimaler, kälter, ruhiger. Vielleicht auch noch um einiges ernster und finsterer. Melodien, oder nennen wir es besser repitative Tonfolgen, sind zwar allgegenwärtig, aber ohne jegliche Dominanz. Was zählt ist allein die erzeugte Stimmung, nicht ein gezielt musikalisches Ergebnis. So bleibt mehr Platz für die Dinge die ansonsten nebensächlich zu sein scheinen. Man könnte sagen, der Klang und dessen stetige Permutation, sowie die Bewegung eines Instruments durch den vierdimensionalen Hörraum ist von wesentlich höherer Relevanz für das Endergebnis als die kompositorische Grundleistung.

Und die Frage nach dem Label...  Ich bin vielleicht durch LOKI etwas verwöhnt, aber ich würde ein Label bevorzugen, bei dem die Leute dahinter etwas mit meiner Musik anfangen können, fähig sind nicht nur CDs zu veröffentlichen sondern sie auch zu vertreiben und sich vielleicht obendrein nicht allzu sehr zieren wenn es um die ausgemachte Bezahlung geht.







*